Berufe in der Rohrleitungsbranche

24.02.2020 · Verbände beschließen gemeinsamen Bildungspakt

Berlin, Hamburg, Kassel, 20. Februar 2020 – Der Wettbewerb um Azubis, die aktuelle Neuordnung der umwelttechnischen Berufe, mehr Praxisbezug an Berufsschulen – es gibt eine Reihe von Baustellen im Bereich Bildung, auf denen derzeit in den Verbänden der Rohrleitungsbranche gearbeitet wird. Mit einem verbändeübergreifenden Bildungspakt haben nun GSTT, rbv, RSV und VDRK beschlossen, gemeinsame Sache zu machen. Das Ziel: schnelle, pragmatische und nachhaltige Lösungen für die Unternehmen schaffen, die unter akutem Fachkräftemangel leiden.

Nicht einmal 60 Minuten hat es gebraucht, bisdas Paketgeschnürtwar: In Oldenburg haben sich relativ spontan die Vertreter der German Society for Trenchless Technologies (GSTT), des Rohrleitungsbauverbands (rbv), des Rohrleitungssanierungsverbands (RSV) und des Verbandes der Rohr- und Kanaltechnik (VDRK) zusammengesetzt, um die akuten Fragen zum Thema Fachkräftesicherung zu klären. Heraus kam ein verbändeübergreifender Bildungspakt, der folgende Punkte umfasst: 

  • Nutzung der Flexibilität im Rahmen Neuordnung der vorhandenen Berufsbilder Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice (RKI) sowie Rohrleitungsbauer/-in
  • Schaffung von anerkannten Zusatzqualifikationen mit Hilfe bestehender Bildungseinrichtungen
  • Zusammenarbeit mit Berufsschulen für mehr Praxisbezug in der überbetrieblichen Ausbildung
  • Zusammenarbeit mit Hochschulen in Forschung und Lehre, Intensivierung der Aktivitäten
  • Zusammenarbeit mit Bildungsträgern zur Qualifizierung von Quereinsteigern und Lehrenden
  • Mehr Attraktivität für die Rohrleitungssanierung durch Nutzung bestehender Werbematerialien Hier geht es aber um die Attraktivität des gesamten Betätigungsfelds, ohne die Grundbausteine Inspektion, Prüfung, Dokumentation keine Sanierung.

Niedrige Bewerberzahlen bereiten Sorge

Was die schwache Nachfrage nach Ausbildungsplätzen angeht, sitzen die Verbände in einem Boot. Trotz guter Auslastung und hoher Auftragszahlen dümpelt die Zahl der Ausbildungsverträge im Bereich Inspektion, Sanierung und Reinigung bei jährlich um 200, die Kanalbauer kommen auf 300 Neuverträge. „Es gab Zeiten, in denen hatten wir 1800 neue Verträge“, erläutert rbv-Geschäftsführer Dieter Hesselmann, der als Ursache unter anderem die konjunkturelle Entwicklung der vergangenen Jahre sieht. „Vor zehn, fünfzehn Jahren hatten wir eine andere Situation. Die Azubis, die man damals nicht ausgebildet hat, fehlen uns heute.“

Dass Auszubildende nicht von heute auf morgen die Fachkräftelücke nicht schließen können, gibt Benedikt Stentrup, Fachkräfte-Obmann des RSV zu bedenken. „Gerade die für die Sanierungsunternehmen, die ihre bundesweiten Baustellen wochenweise disponieren müssen, ist es kaum möglich Auszubildende an einzelnen Tagen für die Berufsschule zu entbehren“, so Stentrup, der in seinem Unternehmen Sanierungstechnik Dommel in Hamm aktuell zwölf junge Leute ausbildet. Im Arbeitskreis Fachkräftesicherung, der im Januar gestartet ist, hat der Verband sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie Quereinsteiger für die Arbeit in der Rohrleitungssanierung vorbereitet werden können.

Neuordnung der Berufe ist auf dem Weg

Der rbv hat bereits im vergangenen Herbst die Neuordnung der Ausbildungsberufe in der Bauindustrie an die zuständigen Ministerien gegeben. „Inwieweit noch Änderungen vorgenommen werden können, ist fraglich“, sagt Hesselmann in Bezug auf mögliche sanierungsspezifische Elemente.

Der VDRK hatte sich in den vergangenen Jahren stark für das Thema eingesetzt und auf verschiedenen Feldern für Änderungen beim Berufsbild engagiert. Der Antrag zur Neuordnung des Berufsbilds RKI ist gerade unterwegs. „Für inhaltliche Ausgestaltung ist in der Ausbildungsverordnung durchaus Spielraum – den können wir gern gemeinsam nutzen“, lud VDRK-Geschäftsführer Ralph Sluke die Sanierungsverbände RSV und GSTT ein. Allerdings: „Die Kernqualifikationen können wir nicht zusammenstreichen, sie sind ohnehin bereits in den drei Jahren sehr eng getaktet. Aber nach drei Jahren ist man kein fertiger Mensch. Um alles zu vermitteln, bräuchten wir eigentlich sechs Jahre.“. Sluke empfahl, Zusatzqualifikationen zu schaffen, die dann für die Belange der Sanierung zugeschnitten werden können – dies traf auf volle Zustimmung. 

Anerkannter Abschluss als Zusatzqualifikation

Was die Zusatzqualifikationen betrifft, beschlossen die Verbände in Oldenburg die intensivere Kontaktaufnahme zu den bestehenden Bildungseinrichtungen. „Wir haben beim rbv ebenfalls die Möglichkeit, hier etwas anzubieten. Wichtig wäre, dass ein staatlich anerkannter Abschluss dahintersteht, zum Beispiel über ein IHK-Zertifikat. Dies würde unter Umständen auch die Chance bieten, dass anderweitig qualifizierte Quereinsteiger dem Markt zur Verfügung stehen.

Ein weiterer Punkt, der insbesondere Benedikt Stentrup unter den Nägeln brennt, ist der fehlende Praxisbezug in der überbetrieblichen RKI-Ausbildung. „Unsere Lehrlinge im ersten Jahr müssen nicht jedes Bakterium in der Kläranlage beim Namen nennen können, sondern sie müssen wissen, wie man einen Schlauchliner tränkt und welche chemischen Prozesse bei einer Härtung ablaufen“, betont Stentrup. Die Schaffung von anerkannten Zusatzqualifikationen nach der regulären Ausbildungszeit unterstützte er.

„Gemeinsam sind wir stärker als einer allein“

Unabhängig von der Arbeit an der Ausbildungsordnung sehen die Verbände einen erhöhten Bedarf, die Attraktivität der Berufe in Kanalbau und Rohrsanierung bei jungen Leuten bekannt zu machen – auch mit Blick auf den Wandel der Arbeitswelt. „Wir müssen uns auf eine neue Generation von Menschen einstellen, die man nicht mehr nur mit der Aussicht locken kann, große Gerätschaften zu bewegen“, sagt Dieter Hesselmann. Der VDRK hat für die jüngere Zielgruppe einen mobilen Messestand für Jobmessen, einen Instagram-Kanal und diverse Werbematerialien am Start. Die Verbände beschlossen, möglichst zügig die Materialien der verschiedenen Verbände zu sichten und übergreifend einzusetzen. „Gemeinsam sind wir stärker als einer allein“, fasste Dr. Klaus Beyer, Geschäftsführer der GSTT zusammen.

Pragmatische Lösungen gefragt

Vom ursprünglichen Plan, sich als Verbände in Berlin für die Schaffung eines eigenen Berufsbildes für die Sanierung einzusetzen, sind RSV und GSTT nun abgerückt – nicht nur, weil die Schaffung neuer Berufsbilder angesichts niedriger Ausbildungszahlen wenig Chancen hat. „Unseren Unternehmen wäre aktuell damit nicht geholfen“, plädierte RSV-Vorstandsvorsitzender Andreas Haacker ebenfalls für eine pragmatische Lösung.

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